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Kann Philosophie als Therapie betrachtet werden? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Engin Erkiner   
Donnerstag, 31. Mai 2018 um 14:44

 

Engin Erkiner, über Wittgenstein

In diesem Essay wird Wittgensteins Auffassung der Philosophie in seinem Buch „Philo-sophische Untersuchungen“ (PU) als Therapie behandelt. Die Definition der Philosophie wird geäußert und Wittgensteins Auffassung für einem konkreten philosophischen Problem, der Gottesbeweis wird getestet.

Wittgenstein definiert die Philosophie als folgende:

 

’Philosophie’ könnte man auch das nennen, was vor allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich ist.” (PU, §126)

Diese Definition kann als eine Verallgemeinerung des bestehenden Wissens interpretiert werden. Die Philosophen konstruierten ein Weltbild durch die Verallgemeinerung, die auch Natur- und Sozialwissenschaft üblich ist. Nach einer neuen Erfindung kann dieses Bild noch bestehen oder geändert werden.

Die Gesetze der Physik sind nicht nur auf unserem Planeten, sondern im gesamten Universum gültig, ohne diese Annahme ist eine kosmologische Forschung nicht möglich. Physiker wissen nicht, ob diese Annahme richtig ist, nur sie verallgemeinern des bestehenden Wissens. Erst mit dieser Annahme werden die fernen Galaxien durch Beobachtungen und entsprechende Kalkulationen erforscht und wenn es bekannt wird, dass die Gesetze auf unserem Planeten nicht im Universum gelten, dann versuchen die Forscher andere physikalische Gesetze zu formulieren.

Seit der Antike besteht eine enge Verbindung zwischen der Kosmologie und einer der großen Problemen der Philosophie: Die Existenz des Gottes. Der Gott ist irgendwo im Universum und die Entwicklung der kosmologischen Theorie hat einen großen Einfluss auf die Theorie des Gottesbeweises. Eines der bekannten Beispiele im 20. Jahrhunderts ist die Expansion des Universums.

Die Gläubiger und Ungläubiger stimmten sich ein, dass das Kosmos ewig ist. Es hat keinen Anfang und kein Ende. Hubbles Erfindung, dass das Universum expandiert, hat nicht nur für die Kosmologie, sondern auch für die Philosophie große Folgen. Ähnlich wie die Expansion eines Luftballons hat das Universum einen Anfang und möglicherweise irgendwann ein Ende. Der Anfang führt zu einer großen Explosion: Big Bang.

Die katholische Kirche hat die Auffassung, dass der Gott diese Explosion verursacht. Der damalige Papst weist sich auf die aristotelische Philosophie. Der Gott, der unbewegte ersten Beweger, verursacht die Explosion und dadurch die Entstehung des Universums. (Aristoteles, 317-320)

Die Gläubiger und Ungläubiger formulieren später neue Argumente für die Existenz bzw. Nicht-Existenz des Gottes.

Wittgenstein betrachtet die Philosophie als Therapie.

 

„Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit.” (PU, § 255)

Das Ziel einer Behandlung ist die Heilung der Krankheit, die im genannten Beispiel nicht der Fall ist. Eine der großen Fragen der Philosophie hat keine befriedigende Antwort nach einer neuen Erfindung. Die Frage über die Existenz des Gottes soll neuformuliert werden. Die Wissenschaftler forschen die Vorgeschichte der großen Explosion, damit neue Erklärungs-möglichkeiten für die Existenz bzw. nicht Existenz des Gottes entstehen. Diese Frage stört die Philosophen seit der Antike.

„Wittgenstein did, so willingly dedicated his life to the prevention and cure of intellectuel ills.” (Hallet, 195)

Trotzdem konnte Wittgenstein keine intellektuelle Befriedigung erreichen.

In manchen wichtigen Fragen gibt es keine endgültige Lösung und die als unzulässig ein-gestuft sollten. In diesem Fall ist die Lösung die Verschwindung der Frage.

„Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdings eine vollkommene. Aber das heißt nur, dass die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen.” (PU, §133)

Die Frage über die Existenz des Gottes kann als unzulässig betrachtet werden, weil keine konkrete Antwort möglich ist. Nur solange die Hoffnung für solche Antwort besteht, wird die Frage nicht verschwunden, sondern immer neuformuliert.

Eine seit der Antike nicht gelöste Frage bedeutet nicht, dass sie unlösbar ist. Eine als unzulässig betrachtete Frage kann mit der Zeit zulässig sein. Vor zirka hundert Jahren war die Frage, ob das Universum einen Anfang hat, unzulässig, aber heute gibt es eine wissen-schaftliche Antwort.

Philosophie kann als eine unendliche Therapie betrachtet werden. Es gibt keine Garantie für die Lösung bzw. die Verschwindung der Frage. Nach einer Erfindung besteht es immer neue Möglichkeiten für die Neuformulierung der Frage bzw. des Problems.

LITERATURHINWEISE

Aristoteles (2010): Metaphysik. 6. Auflage. München: Rowohlts Enzyklopädie

Hallett, Garth (1977): A Companion to Wittgenstein’s „Philosophical Investigations “. London: Cornell University Press.

Wittgenstein, Ludwig (2016): Philosophische Untersuchungen. 22. Auflage. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.